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Gesundheits-Magazin

Warum wir uns nicht nur um COVID-19 kümmern sollten: Die Pandemie der Zivilisationskrankheiten am Beispiel des Diabetes

Quelle: https://spitzen-praevention.com/author/redaktion/|27. April 2021|  

(bearbeitet und ergänzt: Dr. med. Gregor Dornschneider)

Vor gut 13 Monaten erklärte die WHO den COVID-19-Ausbruch zur weltweiten Pandemie. Seitdem vergeht kein Tag, an dem wir uns nicht mit dem Virus auseinandersetzen (müssen), sei es durch Schlagzeilen über neue Erkenntnisse und Strategien im Umgang mit COVID-19, die aktuellen Fallzahlen und Todesraten oder neue Regelungen, die uns schützen sollen.

Eine ganz andere gesundheitliche Katastrophe, schon seit Jahren weltweit annähernd 40 Millionen Tote jährlich einfordernd, davon 15 Mill. bereits im Alter zwischen 30 bis 65 Jahren, wird in der breiten Öffentlichkeit leider nicht einmal ansatzweise im gleichen Ausmaß thematisiert: die hohe Inzidenz an nicht übertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Atemwegserkrankungen, Demenz und Krebs, sehr treffend auch als Zivilisationskrankheiten  bezeichnet.

Wer annimmt, dass diese Erkrankungen zwar ein persönliches “tragisches Schicksal” sind, aber auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene geringere Schäden als eine Pandemie wie COVID-19 verursachen würden, täuscht sich doppelt:

  • Zum einen ist nicht von einem bloßen Schicksalsschlag zu sprechen, denn Zivilisationskrankheiten sind zu einem großen Anteil dem modernen „westlichen“ Lebensstil geschuldet und somit zum großen Teil beeinflussbar.
  • Zum anderen sind die Auswirkungen für die Wirtschaft enorm, was bereits deutlich wird, wenn man sich allein die Kosten vor Augen führt, die mit Diabetes-Erkrankungen einhergehen:

In den USA beliefen sich die geschätzten nationalen Kosten, verursacht durch Diabetes-Erkrankungen, auf 327 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017. Davon entfielen 237 Milliarden US-Dollar (73 %) auf direkte Gesundheitsausgaben, die Diabetes zugeschrieben werden, und 90 Milliarden US-Dollar (27 %) auf Produktivitätsverluste durch arbeitsbedingte Fehlzeiten, verringerte Produktivität am Arbeitsplatz und zu Hause, Arbeitslosigkeit durch chronische Behinderung und vorzeitige Sterblichkeit [1].

Verwunderlich sind die genannten Zahlen nicht, wenn man bedenkt, dass ganze 9,7 % der erwachsenen US-Bevölkerung – also fast jeder Zehnte! – eine Diabetes-Diagnose hat.

In der deutschen Bevölkerung ist die Erkrankungsrate übrigens ähnlich hoch. Zum Vergleich die Daten aus Deutschland:

Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2019:

  • Erkrankungen aktuell: ca. 7,5 Millionen,
  • bis zum Jahr 2040 zusätzlich 3,6 Mio. Menschen an Typ-2-Diabetes in Deutschland erkrankt
  • (d.h., pro Jahr in Deutschland ca. 180.000 Neuerkrankungen)
  • Kosten pro Jahr: rund 21 Milliarden Euro (Behandlung, Arbeitsunfähigkeit, Pflege, Frühverrentung)

 

Die Zeit ist reif für die „Prävention und Rehabilitation von Diabetes!”

Vergleicht man den Diabetes, insbesondere Typ 2, mit anderen Zivilisationskrankheiten, so zeigt sich ein entscheidender “Vorteil”: Während die Entstehung von beispielsweise Krebs oder Demenz zwar in gleicher Weise wie der Diabetes durch entsprechende Lebensstilmaßnahmen in gewissem Maße präventiv zu verhindern ist, ist es beim Diabetes vergleichsweise einfacher, das “Kind wieder aus dem Brunnen zu holen”, wenn die Erkrankung bereits eingetreten ist. Leider wird diese Option von Seiten der Schulmedizin in der Regel nicht anerkannt oder in Erwägung gezogen. Der Diabetiker wird medikamentös therapiert, statt geheilt.

Zwei Maßnahmen, die Kernziele medizinischer Arbeit werden müssen, eröffnen einen anderen Weg für Gefährdete und Betroffene:

  1. Die Gesundheitskompetenz des Einzelnen muss ausgebaut werden. Der Erkrankte soll nicht vom Arzt oder der Pharmaindustrie abhängig bleiben, sondern Experte seiner eigenen Erkrankung werden. Der begleitende Arzt wird dann Berater des Patienten und beide agieren auf Augenhöhe miteinander.
  2. Leider ist es nicht einfach, bzw. teilweise kaum möglich, sich allen gesundheitsschädlichen Einflüssen zu entziehen. Wir benötigen deshalb neben mehr Selbstverantwortung auch eine neue Gesundheitskultur, in der durch gezielte, gesamtgesellschaftlich getragene Maßnahmen im Sinne einer neuen Verhältnis- und Verständnisprävention, ein gesunder Lebensstil für jeden Einzelnen einfacher umsetzbar wird.

Quellen:

https://www.diabetesde.org/system/files/documents/gesundheitsbericht_2019.pdf

[1] Economic Costs of Diabetes in the U.S. in 2017. (2018). Diabetes Care, 41(5), 917–928. https://doi.org/10.2337/dci18-0007